ETH/ POSTEN E1

Robotergestützte Steinmauer

Diese Mauer ist eines der grössten robotisch hergestellten Bauwerke. Sie wurde von einem autonomen Bagger aus Betonabbruchmaterial und 
Findlingen erstellt.

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Das Ziel der an der ETH Zürich betriebenen Forschung hinter der robotergebauten Steinmauer  ist, tragende architektonische Strukturen wie Mauern oder Säulen autonom von Robotern herstellen zu lassen. Ausserdem sollen dazu vor Ort vorhandene und leicht verfügbare Materialien wie Abfallbeton oder Steine verwendet werden.  Dieses Ziel kann durch den Einsatz des Roboterbaggers HEAP (Hydraulic Excavator for an Autonomous Purpose), eines umgebauten Schreitbaggers des Typs Menzi Muck M545 12t, der im Robotic Systems Lab der ETH Zürich entwickelt wurde, erreicht werden. HEAP ist derzeit das fortschrittlichste robotische Baggersystem, das zur Erledigung komplexer Bauarbeiten eingesetzt wird.

Die Verwendung von lokal verfügbaren Felsblöcken und Abfallbeton hat das Potenzial, den ökologischen Fussabdruck bestimmter baulicher Anwendungen drastisch zu verringern.  Früher wurden Trenn- und Stützwände sowie Terrassen häufig mit Trockensteinmauern realisiert. Im modernen Bauumfeld werden Trockensteinmauern jedoch kaum umgesetzt, da ihre Planung, Herstellung und Prüfung sehr komplex sind.

Unser Projekt zeigt, dass computergestützte Methoden, Ansätze für maschinelles Sehen und neue Kontrollmechanismen es erlauben, mit der geometrischen Vielfalt von Steinen und Schutt in einem fortlaufenden Bauprozess unter unstrukturierten Bedingungen auf einer Baustelle umzugehen.

Die permanente Stützmauer im Circularity Park ist der bisher grösste Nachweis für das Funktionieren dieser Methode:  

Die Struktur ist 65 Meter lang, an der höchsten Stelle 6 Meter hoch und besteht aus 938 einzelnen Elementen (Felsblöcke und Betonbruchstücke mit einem durchschnittlichen Gewicht von mehr als 1000 kg). Damit gehört die Mauer zu den grössten robotergebauten Strukturen, die es gibt.
 

Bauprozess:

Der Roboterbagger HEAP ist mit GNSS-Empfängern, Winkelsensoren und IMUs ausgestattet, die es erlauben, den Standort der Maschine zu bestimmen.  In der Kabine und am Arm montierte LiDAR-Sensoren erstellen eine 3D-Karte der Baustelle und der verfügbaren Baumaterialien.  Spezielle Bildverarbeitungsalgorithmen können anhand dieser Karte einzelne Bauteile auf der Baustelle identifizieren und unterscheiden. Die Bauteile werden vom Bagger einzeln angehoben und vollständig gescannt, indem der Greifer sie vor den LiDAR-Sensoren in der Kabine hin- und herbewegt.  Die Kartierung, die dabei vorgenommen wird, erfasst die gesamte Geometrie jedes einzelnen Steins. Auch das Gewicht und die Position des Schwerpunkts werden abgeschätzt.
Bei jedem Schritt im Bauprozess wird die Kartierung aktualisiert, sodass die Position jedes Steins genau angepasst werden kann. Damit kann auch auf ein eventuelles Absacken oder Verrutschen der Steine reagiert werden, wenn diese gegriffen und in der Mauer platziert werden.

Ein eigens dafür entwickeltes geometrisches Planungstool ermittelt mithilfe entsprechender Algorithmen, wo die Steine in der Mauer platziert werden sollen. Dank diesem Tool können die verfügbaren Felsblöcke und Betonbruchstücke automatisch so angeordnet werden, dass sich damit die geplante Mauerform realisieren lässt.  Der Bauprozess erfolgt in Sequenzen, die jeweils die folgenden Schritte umfassen: Scannen, Planen, Platzieren.  Das Planungstool führt ein begrenztes Inventar von etwa 20 bis 30 Steinen, um Unordnung auf der Baustelle zu vermeiden. Wird neues Material angeliefert und werden neue Steine gescannt, werden alte Informationen fortlaufend aus dem Inventar entfernt.  Der stark parallelisierte Planungsalgorithmus bezieht das Gelände der Baustelle und allfällige bereits platzierte Steine in seine Berechnungen mit ein. Er kombiniert Konzepte des traditionellen manuellen Mauerhandwerks mit computergestützten Prozessen wie geometrischer Registrierung, Optimierung, Simulation und maschinellem Lernen, um unter den verfügbaren Steinen die passenden auszuwählen und in der Mauer zu platzieren.

Ein auf 3D-Mapping und Kollisionsgrenzwerten basierender robotergesteuerter Greifplanungsprozess erlaubt es dem Bagger, unförmige Steine mit seinem zweischaligen Greifer sauber zu fassen.  Wenn ein Stein aufgrund kinetischer Einschränkungen oder einer Kollision nicht direkt von seiner Ausgangsposition aus platziert werden kann, kann der Bagger dank einem Kippmechanismus den Stein automatisch greifen und in eine Zwischenposition bringen, bevor er ihn in der Mauer platziert.

Die digitale Methode zum Bau der Stützmauer wurde zwar basierend auf traditionellen Bautechniken entwickelt, für die Festigkeitsprüfung waren jedoch neue Methoden gefragt. Aus der Diskussion mit den Projektingenieurinnen und -ingenieuren ging hervor, dass es Testverfahren zur Prüfung der lokalen Stabilität einzelner Steine braucht, vor allem, wenn diese sehr hohen Belastungen ausgesetzt sind. Zu diesem Zweck wurden sowohl manuelle Testmethoden als auch ein neues, robotergesteuertes Lastprüfungsverfahren entwickelt. 

Am Arm des Roboterbaggers HEAP wurde ein Kraft- und Drehmomentsensor angebracht, der Kräfte und Drehmomente entlang aller sechs Freiheitsgrade wahrnimmt. Es wurde ein robotergesteuertes Lastprüfungsverfahren entwickelt, bei dem eine Referenzbelastung aus einer bestimmten Richtung auf eine ausgewählte Kontaktposition ausgeübt wurde, um sicherzustellen, dass die einzelnen Steine die entsprechende Punktlast aushalten, ohne zu verrutschen. Aktuell können mit dieser Methode hauptsächlich instabile und keine Last tragende Steine identifiziert werden. Sie könnte aber auch breiter eingesetzt werden, um in Kombination mit FEM- und anderen Berechnungen das Tragverhalten von Mauern zu prüfen. 


Besonders in Bezug auf Stützmauern hat die Forschung von Farcas et al. im Jahr 2015 gezeigt, dass Mauerwerk im Vergleich zu Beton nachhaltiger ist in Bezug auf CO2- und Energie-Verbrauch. Trockenmauern schneiden dabei am besten ab, da im Bauprozess lokal bezogene Materialien verwendet werden können. Ausserdem kommen Trockenmauern ohne Mörtel aus und sind dadurch leicht wieder abzubrechen. Die im Circularity Park angewendete Methode zum robotergesteuerten Bau einer Trockensteinmauer erreicht eine CO2-Reduktion von 40 bis 70 % im Vergleich zu einer verstärkten Stützmauer aus Beton von ähnlichem Umfang. Dies zeigt ein Vergleich der realen Baudaten und Transportdistanzen sowie dem «Cradle to Gate»-Energieaufwand des verwendeten Rohmaterials. Mit der hier vorgestellten Methode können rezyklierte Betonaggregate für den Bau einer Trockenmauer verwendet werden. Dadurch kann ein Teil der 2,6 Millionen Tonnen Beton, die schätzungsweise jedes Jahr beim Abbruch von Gebäuden gewonnen werden, wiederverwendet werden. Hier in Zürich ist das von besonderer Bedeutung, da die für rezyklierten Beton zur Verfügung gestellten Deponieflächen nur noch für die nächsten zehn Jahre reichen.